Die Waggon-Künstler des Bauzugs 3YG haben sich entschieden, nicht aufs Zuckerfabrik-Areal zu ziehen und liebäugeln nun mit dem Neckarpark. Der Grund sind vielerlei Hindernisse, unter anderem aus Gründen des Natur- und Lärmschutzes. Zudem hat der Bezirksbeirat Bad Cannstatt gegen eine Ansiedelung gestimmt.
Die Künstler haben erfahren, dass sie für ihre Waggon-Ateliers Baurechtsanträge stellen müssen und somit durch die Fristen ein nahtloser Umzug vom alten auf das neue Gelände unmöglich ist. Die Bahn hat, wie berichtet, signalisiert, dass die Künstler möglicherweise nicht sofort Ende Februar das Gelände komplett räumen müssen. Dennoch suchen die Künstler fieberhaft weiter, nachdem sie feststellen: „Das Zuckerfabrik-Areal stellt nicht, wie zuvor erhofft, eine Lösung mit kleinen Schönheitsfehlern dar, sondern entpuppt sich zunehmend als aussichtsloses Unterfangen.“ Auch der Umstand, dass das Zuckerfabrik-Areal ein Refugium für die artengeschützte Zaun- und Mauereidechse ist, die kostenaufwändig umgesiedelt werden müsste, bevor dort Bauarbeiten beginnen können, hindert die Künstler.
Auch nachbarschutzrechtliche Bestimmungen seien Hindernisse mit strikten Emissionswerten. So erklärt Jürgen Wenzler, Persönlicher Referent von Finanzbürgermeister Michael Föll, dass es, wie bereits im Wirtschaftsausschuss dargestellt, Lärmschutz-Probleme gebe durch Nachbarn, die sich dann gestört sähen. Das Baurechtsamt hatte zudem Bedenken. Und die Künstler sehen die Kosten als nicht kalkulierbar.
Das Baurechtsamt hatte in der vergangenen Woche die Künstler über die Bedingungen auf dem Zuckerfabrik-Areal informiert, erklärt Friederike Kleiner von der Pressestelle der Stadt Stuttgart. Der Nutzungsmix von Kunst, Wohnen und Veranstaltungen sei nur schwer mit den örtlichen Gegebenheiten zu verbinden, weil da Menschen wohnen, so Kleiner. Die Künstler selbst haben nun das Güterbahnhof-Areal ins Gespräch gebracht. „Dies wird nun von der Stadtverwaltung geprüft und in den Gremien besprochen“, erklärte Kleiner.
Die Künstler könnten sich vorstellen im südöstlichen Teil des Güterbahnhof-Areals beim Frischemarkt sich anzusiedeln, erklärt der Sprecher des Bauzugs 3YG, Marco Trotta. Dort sei ein Gleis. Die Gleisflächen seien entwidmet, so Trotta. Die Künstlerstellen sich nun ein mobiles Container-Konzept vor. „Dadurch brauchen wir auch weniger Platz“, erklärt Trotta. Bislang waren rund 4000 Quadratmeter im Gespräch gewesen. Nun stellt sich die Frage für den Bauzug, ob die Bahn ihnen materiell entgegenkommen könnte, beispielsweise mit Containern. Ein anderes Areal haben sie nicht in Stuttgart in Aussicht.
Eine Umfrage unter den Fraktionen ergab, dass sich SPD-Fraktionsvorsitzende Roswitha Blind skeptisch zum neuen Standort äußert: „Einen Dauerstandort kann es nicht werden, der uns das Gebiet blockiert.“ Sie hat großes Interesse, dass die Künstler in der Stadt etwas finden. Wichtig ist Blind, dass der Cannstatter Bezirksbeirat mit eingebunden wird. Es müsse geprüft werden, dass auf dem Areal die Entwicklung zum Wohngebiet nicht blockiert wird. CDU-Stadtrat Philipp Hill erklärt: „Es kann unmöglich eine Dauerlösung sein, nur eine Interimslösung, wenn überhaupt.“ Dieser Standort werde neu beplant, da sehe er keine Chance, dass so etwas auf Dauer bleiben kann. Grünen-Stadtrat Peter Pätzold erklärte, er habe die Pläne noch nicht gesehen, aber er könnte es sich in der hintersten Ecke auf dem Güterbahnhofareal vorstellen, sofern es die Entwicklung des Neckarparks nicht behindert. „Innerhalb des ersten Bauabschnitts kann man es aber nicht machen“, so Pätzold. Jürgen Zeeb (Freie Wähler) sagte, er finde es bedauerlich, dass bezüglich des Zuckerfabrik-Areals die Künstler gleich die Flinte ins Korn geworfen hätten. Auch auf dem Güterbahnhof-Areal müssten sie sich dem Baurecht unterwerfen und Naturschutzbelange beachten. „Ich kann mir den Güterbahnhof vorstellen. Sie müssen dort die gleichen Auflagen wie jeder andere befolgen.“ Er stehe der Szene aufgeschlossen gegenüber. Rose von Stein (FDP) sagte: „Ich kann mir vorstellen, dass die Künstler sich dort ansiedeln.“ Der kulturpolitische Sprecher der FDP-Gemeinderatsfraktion, Bernd Klingler, erklärte: „Es ist toll, wie sich dieses Projekt gedanklich weiterentwickelt hat, man sieht darin auch das Kreativpotenzial dieses Projekts. Wir sollten Raum für diese Kultur- und Kreativszene schaffen“.
Cannstatter Zeitung 17.02.2011