Seit 1999 besteht das Projekt „Bauzug 3YG“ in ehemals zwanzig ausrangierten Eisenbahnwaggons und einem damals dazugehörigen Haus am Stuttgarter Nordbahnhof. Das Projekt ist über die Jahre zu einem wichtigen Bestandteil der Stuttgarter Kunst,- und Subkulturszene geworden und gilt vielen Menschen als ein besonderer Ort in Stuttgart. Selbstverwaltet und unter dem Dach des Trägervereins „Stups e.V.“ organisiert, haben sich „die Waggons“ von einem ArchitektInnen Projekt zu einer freien Ateliergemeinschaft entwickelt und in Stuttgarts Offkulturszene etabliert. KünstlerInnen, MusikerInnen, SchauspielerInnen, RegisseurInnen, FotografInnen, DesignerInnen, SzenographInnen, BildhauerInnen, FigurenspielerInnen, MalerInnen, GrafikdesignerInnen, PerformancekünstlerInnen, TexterInnen, und viele Kunst – und Kulturschaffende mehr arbeiten hier frei, eigenständig oder in Kooperationen an der Umsetzung verschiedenster Projekte. Einige unter ihnen arbeiten mit öffentlichen Jugendeinrichtungen zusammen, unterrichten als DozentInnen an Kunst- und Medienakademien oder an verschiedenen Theatern Stuttgarts. Die Ausstellungen, Kunstweihnachtsmärkte und Musikfestivals, die in den letzten Jahren auf dem Gelände entstanden sind haben sich auch international zu einer Plattform für Kunst – und Kulturschaffende entwickelt und haben darüber hinaus eine wichtige Bedeutung als Ort der Begegnung, des Austauschs und der Inspiration erlangt.
2012 verkleinerte sich das Projekt auf 10 Waggons, 2022 musste das Atlierhaus aufgegeben werden.
Im September 2023 konnte die Ateliergemeinschaft Bauzug3YG mit 12 Eisenbahnwaggons auf ein neues Gelände am Nordbahnhof umziehen mit dem Ziel wieder auf die ursprüngliche Größe an Mitglieder zu wachsen und möglichst darüber hinaus. Das neue Gelände ist wieder nur zur Zwischenmiete angesetzt, doch hoffen wir inständig, dass sich die bisher geleistete Zeit, Mühe und Geld verstetigen lassen in einen bleibenden, bunten Ort innerhalb des Rosensteinviertels.
In 22 Jahren Waggons stand der Bauzug 3YG immer wieder kurz vor dem Aus. Es wurden Abschiedspartys gefeiert, Gleise und Waggons für Baustellen geräumt und Lebewohl gesagt.
Inzwischen ist der Bauzug auf 10 Waggons, einen Vereinsraum und ein Haus mit 9 Atelierräumen geschrumpft. Aber wir sind immer noch da und wollen diesen Freiraum für Stuttgart bewahren!
Die vor kurzem eingegangene Kündigung des gesamten Geländes der Waggons auf 30.04.2021 hat uns allerdings kalt erwischt.
Ein neues Stadtviertel entsteht – Maker City im Rosensteinquartier
Derzeit laufen die Planungen für die „Maker City“ im Gebiet C1, also grob umfassend das Gebiet zwischen Wagenhallen, Gedenkstätte und Waggons. Die Maker City soll als kreatives Labor mit experimentellen Wohn- und Arbeitsformen unter ökologischen Aspekten gestaltet
werden.
Ein Kernpunkt war von Beginn an der Erhalt und die Entwicklung von fünf Hektar „Sonderentwicklungsfläche Kultur“, bezugnehmend auf die bereits ansässigen Akteure wie z.B. Wagenhallen, Stadtacker, Container City und Bauzug 3YG.
Diese Akteure sind deshalb auch bereits im Wettbewerbsentwurf der Arbeitsgemeinschaft von asp Architekten und Koeber Landschaftsarchitektur als Bestandteil der Maker City eingeplant.
Im Fortführungsentscheid zum Bebauungsplan der Maker City heißt es:
„Grundsätzlich soll nicht nur die Hochkultur Beachtung finden, sondern auch niederschwellige, kleine (sub-)kulturelle Nutzungen mitgedacht werden. So soll die Sicherung des sogenannten „Bauzug 3YG“ gemäß städtebaulichem Entwurf im aufzustellenden Bebauungsplan berücksichtigt werden.“
Auch in der Pressemitteilung der Stadt Stuttgart vom 3.3.2021 ist ein Erhalt vorgesehen:
„Es ist das Anliegen der Stadt Stuttgart, dass alle Nutzergruppen im Anschluss an die Durchführung der notwendigen Maßnahmen für die gesamthafte Entwicklung des C1- Gebiets ein langfristiger Bestandteil des neuen Stadtquartiers sein können.“
Jedoch wird es genau von diesen Maßnahmen abhängen, inwieweit die Waggons den Prozess langfristig tatsächlich überleben können.
Akteursbeteiligung Rosenstein C1
An den aktuellen Planungen der Maker City ist auch der Bauzug 3YG beteiligt: Seit Wochen findet eine Akteursbeteiligung statt, in der die Stadtverwaltung, Architekt:innen, Expert:innen, aktuelle Nutzergruppen sowie benachbarte Institutionen involviert sind. Es sollen Visionen
entwickelt werden, wie die Maker City gemeinsam mit den Akteuren vor Ort zukünftig aussehen könnte. Erste öffentliche Ergebnisse wird es voraussichtlich im Mai geben.
Kündigung der Waggons zum 30.04.2021
Mitten in diesen gemeinsamen Planungsrunden der Akteursbeteiligung haben wir überraschend die Kündigung von der Deutschen Bahn erhalten, von der das Gelände nach wie vor gemietet wird. Unser Atelierhaus und das Gelände der Waggons soll geräumt und an die Stadt übergeben werden, wie es in alten Verträgen vorgesehen ist. Der Abriss des Atelierhauses soll bereits im Herbst stattfinden.
Wenn die Stadt den Bauzug 3YG für Stuttgart wirklich erhalten will, muss jetzt dringend eine Lösung in Absprache der Stadt, der DB und dem Bauzug gefunden werden.
Standortwechsel?
Nach bisheriger Aussage von Verantwortlichen der Stadt muss der Bauzug auf jeden Fall umziehen.
Anstelle der Waggons soll ein dauerhaftes Habitat für Mauereidechsen entstehen, das sich auf dem Grünstreifen bis hin zur Gedenkstätte ziehen soll. Das Planfeststellungsverfahren, das diese Entscheidung endgültig besiegeln wird, läuft aber noch. In Verhandlungen zwischen Stadt und Deutscher Bahn könnte dies also noch korrigiert werden, wenn der Wille da ist.
Denn eigentlich erscheint es logisch, die Waggons am jetzigen Standort zu belassen, wenn sie sowieso in der neu entstehenden Maker City ihren Platz haben sollen.
Der Bauzug ist offen gegenüber Veränderungen und Alternativstandorten. Zuvor sollten jedoch mögliche Optionen, wie das Kulturschutzgebiet der Waggons vor Ort erhalten werden könnte, gemeinsam und eingehend überprüft werden.
Denn eine Verlagerung kann, wenn sie nicht umsichtig, reibungslos und mit klarer Perspektive geschieht, schnell das Gesamtprojekt, das ohnehin im Laufe der Jahre schmerzlich geschrumpft wurde, zum Erliegen bringen.
So hoffen wir nach wie vor auf den Erhalt am jetzigen Standort – am besten wieder mit mehr Waggons auf den nebenan frei werdenden Gleisen!
Nach der Verschiebung der Waggons im Herbst 2011 ist auf dem Bauzuggelände fürs erste Ruhe eingekehrt. Neben – dem eigentlich als Ersatzprojekt gedachten – contain’t auf dem ehemaligen cannstatter Güterbahnhof, gibt es nun mit den immer noch vorhandenen Waggons am Nordbahnhof in Stuttgart zwei Projekte, die der Kunst- und Kulturszene jenseits des Mainstreams einen Raum bieten.
Im Herbst 2013 begann die nächste kritische Phase für den Bauzug: Die äußere Reihe der Waggons stand einem geplanten Rangiergleis im Weg. Nachdem es daher zu einer Kündigung des Mietverhältnisses für beide von uns genutzten Gleise kam, sah es vorläufig einmal mehr nach dem Ende des Bauzug-Projekts aus. Kurz darauf gab es von Seiten der Bahn zumindest teilweise Entwarnung – alle Waggons auf dem nicht betroffenen Gleis konnten an Ort und Stelle stehenbleib en. Mit dieser Lösung ist es für uns möglich, das Atelierhaus und die verbleibende Waggonreihe auf weitere Zeit zu nutzen.
Seit Februar 2014 gibt es auf dem Bauzuggelände das Projekt „Raumstation“. Ein Waggon wird als Residenz an Künstler verschiedener Disziplinen vergeben. Die Künstler nutzen den „Raumstation“-Waggon als temporären Arbeitsraum mit dem Ziel, ein künstlerisches Projekt anzufertigen und zu Ende des jeweiligen Aufenthalts zu präsentieren.
Soll eine seit 20 Jahren gewachsene Kulturinstitution verschwinden?
In der Neuplanung des gesamten Rosensteinareals scheinen die Waggons als bestehende kulturelle Institution bisher nicht bedacht worden zu sein.
Am 20.Juli 2018 wird ein Wettbewerb für die städtebauliche Planung des Rosenstein-Areal ausgeschrieben werden. Die bindenden Kriterien für diesen Wettbewerb werden vom Gemeinderat festgelegt. Bisher wurden zwar einige Bürgerwünsche bedacht, aber die Zukunft der Waggons ist nach wie vor ungewiss.
Im Entwurf des Auslobungstextes für den Wettbewerb ist zu lesen:
„Um kreatives Potenzial in der Stadt zu halten, müssen Flächen und Räume für Subkultur sowohl geschützt, als auch geschaffen werden, denn Subkultur kann die Identität und das Image der gesamten Stadt prägen und positiv beeinflussen.
Durch Prüfung der Nutzbarkeit von inspirierenden und identitätsstiftenden (Bahn)-Bauwerken und Orten, durch Bereitstellung eines vielfältigen Kulturangebotes, eingebettet in einen abwechslungsreichen und kleinteiligen Städtebau und durch Ermöglichung einer abschnittsweisen Bebauung mit Erhalt von temporär oder dauerhaft nutzungsoffenen Flächen könnte der Städtebau Flexibilität gegenüber sich verändernden Bedürfnissen (generationenübergreifende Planung) gewährleisten.“ ( https://www.stuttgart-meine-stadt.de S.41)
Da sollte wohl dem Erhalt der Waggons nichts mehr entgegenstehen. Freuen wir uns auf eine erweiterte Gleisfläche und den Zuwachs durch weitere ausgediente Waggons, die zum Leben erweckt werden können!
Wir, die Ateliergemeinschaft Bauzug 3yg – „Waggons Nordbahnhof“ haben am 13. Januar 2011 eine Räumungsaufforderung der „DB Services Immobilien GmbH“ für das gesamte Gelände zum 25. Januar 2011 erhalten. Als Grund wird der Vegetationsrückschnitt auf dem Gelände genannt, welcher bis Ende Februar 2011 abgeschlossen sein soll. In Anbetracht der wenige Tage zurückliegenden mündlichen Genehmigung zur Weiternutzung des Geländes – bis zum Sommerbeginn – seitens der Deutschen Bahn, kam diese Aufforderung für uns völlig unerwartet. Eine Räumung des Geländes bis Ende Januar ist nicht nur aus technischen und organisatorischen Gründen schlichtweg unmöglich, sondern bedeutet für knapp dreißig Künstler und Künstlerinnen den plötzlichen Verlust ihrer Atelier-, Wohn-, und Veranstaltungsräume und somit ihrer Arbeits- und Schaffensgrundlage.
Zur aktuellen Situation
Bereits seit September 2010 haben wir keine der gewohnten befristeten Vertragsverlängerungen mehr erhalten. Es wurde uns lediglich mündlich zugesichert, das Gelände bis Anfang Sommer, sprich 22. Juni 2011, weiternutzen zu können. Bereits zum zweiten Mal innerhalb zweier Monate wurden diese Zusicherungen von der „DB Services Immobilien GmbH“ verworfen. Die erhaltene Räumungsaufforderung hat insbesondere deshalb große Irritationen und Verunsicherung an den Waggons ausgelöst, weil sich die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen der Ateliergemeinschaft und der Deutschen Bahn in den letzten Jahren als fruchtbar und tragfähig erwiesen hat: So wurden wir bisher immer frühzeitig über geplante Maßnahmen auf dem Gelände in Kenntnis gesetzt, getroffene Absprachen wurden von beiden Seiten verlässlich in die Tat umgesetzt und zugesicherte Vertragsverlängerungen haben wir stets zeitnah und unbürokratisch in schriftlicher Form erhalten. Dies ist nicht zuletzt dem bemerkenswerten Engagement unseres zuständigen Sachbearbeiters bei der „DB Services Immobilien GmbH“ zu verdanken, welcher immer bemüht ist, in positiver Weise zwischen uns und der Planungsebene bei der Bahn zu vermitteln.
Wir bedauern, dass in jüngster Vergangenheit die Kommunikation zwischen uns und der Deutschen Bahn von weniger Transparenz und die getroffenen Vereinbarungen von weniger Zuverlässigkeit geprägt zu sein scheinen.
Die Folgen der Räumungsaufforderung
Die Folgen der Räumungsaufforderung für die MieterInnen der Ateliergemeinschaft „Waggons“ sind drastisch. Kaum jemand auf dem Gelände verfügt über Ausweichmöglichkeiten, eine fristgemäße Räumung würde die Künstler und Künstlerinnen im wahrsten Sinne des Wortes auf die Straße setzen. Die laufenden Arbeitsprozesse müssen zum wiederholten Male ausgesetzt oder abgebrochen werden – ein Umstand, der Energie und Geld kostet. Diejenigen Mieter und Mieterinnen, die sich derzeit im Rahmen ihrer Engagements im Ausland befinden, sind angesichts der Situation stark verunsichert und müssen verfrühte Rückreisen in Betracht ziehen. Eine weitere Konsequenz ist der schleichende Glaubwürdigkeitsverlust der Veranstalter des Kulturareals in der Zusammenarbeit mit externen Künstlern und KünstlerInnen. Bestätigte Bookings und geplante Veranstaltungen müssen aufgrund der Räumungsaufforderung zum wiederholten Male abgesagt werden.
Seit Monaten brodelt die Gerüchteküche über das „Ende der Waggons“ und das Publikum kann Meldungen bezüglich Kündigungen inzwischen nur noch bedingt ernst nehmen. Unter den gegebenen zeitlichen Rahmenbedingungen ist weder an ein produktives Arbeiten auf dem Gelände im Allgemeinen, noch an die effektive Erarbeitung realisierbarer Nachfolgekonzepte zu denken – genau dies ist aber elementar wichtig für das Weiterbestehen des lebendigen künstlerischen Potentials am Nordbahnhof und in Stuttgart allgemein. Wir sehen uns deshalb veranlasst, unser Anliegen öffentlich zu machen.
Stuttgart21 und die Waggons
Nicht nur als Betroffene kritisieren wir die gesellschaftlich bedingte Verdrängung und Verbannung nichtkommerzieller, subkultureller Kleinode aus den Stadtzentren. Angesichts der Polarisierung der Öffentlichkeit im Hinblick auf das Bauvorhaben „Stuttgart 21“ und des Protests gegen das Großprojekt, halten wir es für notwendig, unseren neutralen Standpunkt in Bezug auf „Stuttgart21“ zu unterstreichen. Dieser ist einerseits der Vielzahl divergierender persönlicher Positionen auf unserem Areal geschuldet und andererseits lässt sich aus unserer Sicht der entstandene Konflikt nicht auf das Bauvorhaben „Stuttgart21“ reduzieren. Denn paradoxerweise hätte ohne die Aussicht auf die Nutzung des Areals im Rahmen von „Stuttgart21“ ein Verkauf der Gleisflächen an bestbietende Investoren aller Wahrscheinlichkeit nach schon viel früher stattgefunden.
Die Waggons sind zwar durch das städtebauliche Großprojekt bedroht, konnten sich andererseits aber auch in dessen Windschatten über mehr als ein Jahrzehnt ungestört zu der Oase im urbanen Raum entwickeln, die sie heute ist. Deshalb fordern wir sowohl ProjektgegnerInnen als auch ProjektbefürworterInnen auf, sich den Forderungen in dieser Stellungnahme anzuschließen und sich deutlich gegen eine Innenstadt ohne Subkultur auszusprechen.
Fazit
Daher legen wir hiermit öffentlich Widerspruch gegen die Räumungsaufforderung der Bahn ein. Wir unterstreichen noch einmal unsere Forderung nach einem Weiterbestand der Waggons bis zum letztmöglichen Zeitpunkt. Die Waggons dürfen erst verschrottet werden, wenn alle Möglichkeiten für ein Fortbestehen ausgeschöpft sind. Wir fordern die Bahn auf, sich an die gemachte Zusage zu halten und den Mietern und Mieterinnen des Areals einen geordneten Rückzug bis mindestens Anfang Sommer diesen Jahres zu ermöglichen und ihnen somit ausreichend Zeit für die Ausarbeitung möglicher Nachfolgekonzepte zu gewähren. Das künstlerische und kulturelle Potential am Nordbahnhof darf nicht atomisiert werden. Wir fordern deshalb alle Akteure aus Politik und Kultur auf, sich aktiv an der Entwicklung möglicher Ersatzlösungen für unsere Ateliergemeinschaft zu beteiligen. Wir bitten die Menschen in Stuttgart und überall, diese Forderungen zu unterstützen, damit unser Anliegen dort wahrgenommen wird, wo etwas bewirkt werden kann.
Die Ateliergemeinschaft „Bauzug 3YG“ hat sich am heutigen Freitag zu Gesprächen mit der Deutschen Bahn und der Stadt Stuttgart getroffen, mit dem Ziel, Lösungsansätze für ein mögliches Nachfolgeprojekt und einen Zeitplan für einen geordneten Rückzug vom jetzigen Standort auszuarbeiten. Wir begrüßen die konstruktive Atmosphäre während der Gespräche und das positive Zusammenspiel aller Akteure von Bahn und Stadt. Der heute von der Deutschen Bahn und Stadt Stuttgart vorgeschlagene Zeitplan, welcher die Räumung des Geländes bis Ende Februar vorsieht, stellt die Künstler und Künstlerinnen des Bauzugs vor eine große Herausforderung. Von entscheidender Bedeutung für die Machbarkeit des Vorhabens ist einerseits das Vorhandensein eines geeigneten Ersatzobjektes und andererseits die Bereitschaft zu aktiver logistischer, materieller und finanzieller Unterstützung von Seiten unserer Verhandlungspartner.
Mit der Brachfläche auf dem Gelände einer ehemaligen Zuckerfabrik in Stuttgart-Münster hat die Stadt ein mögliches Angebot ins Spiel gebracht, dessen Qualitäten in den nächsten Tagen eingehend von uns geprüft werden. Im Kern sieht der Vorschlag eine Umsiedlung der Waggons zum potentiellen neuen Standort vor. Unserer Ansicht nach ist es derzeit jedoch zu früh, von einer Zukunftslösung zu sprechen. Bisher ist nicht geklärt ob und wie das bisherige Atelier- und Veranstaltungskonzept beispielsweise mit der schlechten Erreichbarkeit und anderen Besonderheiten des Geländes in Einklang zu bringen ist. Deshalb sind wir parallel aktiv auf der Suche nach Alternativen. Dabei beschränken wir uns nicht auf eine Sondierung möglicher Stellplätze für unsere Waggons. Beispielsweise ist der Bezug leerstehender Immobilien oder die Umsetzung container-architektonischer Konzepte auf Brachflächen für uns genauso vorstellbar. Im Vordergrund steht für uns nicht die Beschaffenheit der Räumlichkeiten, sondern die Gegebenheiten in Bezug auf die künstlerischen Arbeitsmöglichkeiten und die Durchführung von Veranstaltungen. Anregungen und Hinweise diesbezüglich werden von der Ateliergemeinschaft dankbar aufgenommen. Bei fortführenden Gesprächen Ende nächster Woche werden wir die Ergebnisse unserer Bemühungen präsentieren und hoffen hierbei auf einen weiterhin fruchtbaren und zielgerichteten Dialog mit Bahn und Stadt.
Nach dem neuesten Informationsaustausch zwischen uns, der Ateliergemeinschaft Bauzug 3YG, und dem Baurechtsamt am letzten Freitag hat sich bestätigt, was in den letzten Tagen langsam klar wurde: Das Zuckerfabrik-Areal stellt nicht wie zuvor erhofft, eine Lösung mit kleinen Schönheitsfehlern dar, sondern entpuppt sich zunehmend als aussichtsloses Unterfangen.
Nicht allein die Tatsache, dass für Waggon-Ateliers auf entwidmeten Gleisanlagen Nutzungsbefreiungen erwirkt und Baurechtsanträge gestellt werden müssen und somit durch die anhängigen Fristen einen nahtlosen Umzug vom alten auf das neue Gelände unmöglich machen, hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Auch der Umstand, dass das Zuckerareal ein Refugium für die artengeschützte Zaun- und Mauereidechse ist, müsste durch eine zeitlich unüberschaubare und kostenaufwendige Umsiedlung nach EU-Artenschutzrecht entsprechend geändert werden. Und zwar bevor jegliche Bauarbeiten auf dem neuen Gelände beginnen. Unsere größte Sorge besteht jedoch im Hinblick auf den Nutzen der aufgewendeten Energie, Kosten und Hoffnungen vor dem Hintergrund der geltenden nachbarschutzrechtlichen Bestimmungen, die strikte Emissionswerte vorgibt. Nach Angaben des Baurechtsamt würden diese allein durch einen verminderten künstlerischen Arbeitsbetrieb mit großer Wahrscheinlichkeit überschritten. Selbst im Falle einer Zustimmung der direkten Angrenzer während des baurechtlichen Verfahrens bliebe deren Recht darauf, Nutzungen unterbinden zu lassen, unberührt. Nicht zuletzt hat der Bezirksrat Bad Cannstatt den Umzug auf das Gelände mit 13:5 Stimmen abgelehnt.
Die Einschätzung des Sachverständigen beim Baurechtsamt war deutlich: Die reibungslose Umsiedlung und die Gewährleistung des normalen Betriebs nach dem Umzug hält er für „sehr kritisch bis unmöglich“. Unablässig haben wir in den letzten Wochen an Konzepten und Entwürfen für Gelände in Bad Cannstatt gearbeitet. Weder uns, noch der Stadt, noch der Bahn ist jedoch geholfen, wenn der Weg in die Zukunft von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Die absehbaren Schwierigkeiten wiegen zu schwer, die Kosten sind weder für uns, noch für die Stadt, kalkulierbar. Wir haben deshalb am Wochenende entschieden, dass der bisher favorisierte Umzug auf das Areal der Zuckerfabrik nicht stattfinden wird.
Wir sind uns der Tragweite dieses Entschlusses bewusst. Wir hoffen jedoch, einen regressiven Effekt dieser Entscheidung auf die nach wie vor produktiven Verhandlungen zwischen uns, der Bahn und der Stadt abschwächen zu können, indem wir am Ende dieser Ausführungen einen weiteren Standort-Vorschlag in Kombination mit einem zukunftsweisenden Konzept vorlegen.
Ein Tag mit gemischten Gefühlen – Mit freundlicher und tatkräftiger Hilfe der JKS Karle Entsorgung und Recycling GmbH wurden am heutigen Donnerstag unsere heißgeliebten und geschichtsträchtigen Außeninstallationen auf dem Waggon-Areal abgerissen und somit der Weg für die Umsiedlung von acht Waggon-Ateliers in den Bereich südlich der Gäubahnbrücke geebnet. Dieser vorläufige Umzug innerhalb des Nordbahnhofs ist Teil der Interimslösung, welche uns von der Deutschen Bahn für die nächsten beiden Monate angeboten wurde.
Zeitgleich wurden im Stuttgarter Rathaus die Weichen für das Nachfolgeprojekt am Cannstatter Güterbahnhof gestellt:
Zusammen mit Vertretern von Liegenschaftsamt, Stadtplanungsamt und Baurechtsamt wurden die potentiellen Bereiche auf dem Güterbahnhof-Areal unter die Lupe genommen, um einen möglichen Standort für das Kunst- und Kulturprojekt und sein zukünftiges Publikum zu finden. Außerdem wurden wichtige baurechtliche Fragen geklärt. Verwaltungsintern stehen alle Signale für das geplante Container-Projekt am Güterbahnhof jetzt auf Grün – hier waren sich die Vertreter aller beteiligten Ämter und die KünstlerInnen einig. Anfang nächste Woche folgt eine Besichtigung vor Ort. Im Anschluss werden Anträge in den entsprechenden Ausschüssen eingereicht. Letztendlich entschieden wird dann im Gemeinderat.
Auch wenn der Abriss das Ende der Waggons einleitet, auch wenn die große Discokugel vor dem Vereinswaggon seit heute nicht mehr hängt, haben wir jede Menge Spaß an der bewegten Zeit und schauen aufgeregt in eine spannende Zukunft: Zwei weitere Monate mit veränderter Topographie am Nordbahnhof und die Aussicht auf eine Zukunft mit weiterhin Kunst- und Kultur in relativ zentraler Lage in Cannstatt. Mit einem lachenden und einem tränenden Auge, mit Sekt, Musik und gutem Wetter haben wir das heutige Spektakel begangen.
Der durch den Baustop entfesselte Leerstand am nördlichen Teil des Inneren Nordbahnhofs stellt für uns einen ungenießbaren Zustand dar! Die Annektierung des angrenzenden Jacob17-Areals, dessen Nutzung als Luxus-Sommerresidenz und Nährboden für schnellwachsende Kunstgewächse der explosiven Gattung ist die konsequente praktische Fortführung unseres kunstverkorksten und freizeitorientierten Theorie-Ansatzes. Im Anschluss an die “Vernissage de Creme de la Creme” am kommenden Samstag (30. April 2011) werden wir deshalb in einer unverschämt ausdauernden Kreativ-Fehde ein Exempel im beispielhaften Auskosten schmackhafter Zwischenmahlzeiten statuieren, bevor wir am Cannstatter Güterbahnhof den vorläufigen Hauptgang kredenzen. Das Kunststoff-Buffet ist eröffnet!
Die Vorbereitung auf die Verschiebung der Waggons auf die Südseite der Gäubahnbrücke
KünstlerInnen entwickeln übermenschliche Kräfte !! Zugwaggons von Hand verschoben !! Ateliergemeinschaft (vorerst) gerettet!!
Die KünstlerInnen der Ateliergemeinschaft Bauzug 3YG sind immer wieder für eine Überraschung gut: Zuerst sind sie immer noch da, obwohl alle dachten sie seien längst weg! Beim “Reise-nach-Jerusalem-Spiel” mit den Zugwaggons” kacken die beiden Konkurenten “Ölwaggon” und “Hammersmith” fies ab und fliegen raus. Und das ganze Zinnober mal wieder nur, um spektakuläre Bilder der Aktion zu liefern – selbstverständlich abgefangen von gehackten britischen Überwachungs-Satelliten der Regenbogenpresse. Aus Gründen der Street-Credibility schubsen die KünstlerInnen die Waggons natürlich von Hand und lässig mit links an ihren neuen Standort südlich der Gäubahnbrücke. Dort machen Sie es sich schonmal richtig gemütlich für ein paar weitere Jahre Flower-Power und Easy-Living.
Indessen planen ihre Abkömmlinge und Vasallen munter weiter an der neuen Kunst-Abschussbasis in Cannstatter Wasennähe, die im Sommer vom Bezirksbeirat Bad Cannstatt und dem Stuttgarter Gemeinderat genehmigt wurde und nach der sich die gelangweilten Erdlinge abseits des Neckars schon seit Äonen alle zehn Finger lecken. Mit ihr entsteht ein temporärer und raketenbetriebener Umschlagplatz für transgalaktische Kulturgüter am Standort des alten Güterbahnhofs, welcher nach Ablauf der Halbwertszeit im Neckarparkviertel und nach Verlassen des blauen Planeten einen Kulturkrater in die Umgebung des Stuttgarter Talkessels reißen wird, soviel ist schon jetzt klar.
zur Kündungung des Bauzug 3YG im Januar 2011
Hans D. Christ, Direktor Württembergischer Kunstverein
Als Direktor des Württembergischen Kunstvereins muss ich mich in dieser Diskussion positionieren. Die Wagons im Nordbahnhofsviertel stehen in der Tradition der künstlerischen Zwischenraumnutzung. Sie stehen wie „Die Röhre“, das „Rocker 33“, der „Interventionsraum“ und die „Wagenhallen“ auch in der Tradition, der selbst verwalteten, selbst organisierten Produktionsorte für diverse kulturellen Praktiken. Sie basieren auf den Ausbildungsstätten und den dort ausgebildeten Nachwuchs Künstlern, die das Oberzentrum und die Landeshauptstadt Stuttgart im Bereich Kultur (Darstellende Kunst, Musik, Bildende Kunst, Architektur etc.) hier vor Ort anbietet.
Mit den Investitionen in „Stuttgart 21“ und dem „Quartier S“ werden sämtliche der genannten Orte zerstört oder für eine unabhängige, kulturelle Praxis versiegelt (Den Wagenhallen droht die Kommerzialisierung durch Anbiederung an die Unterhaltungsindustrie). Bei einer dermaßen flächendeckenden Zerstörung alternativer Handlungsräume zählt dann das Argument der temporären Zwischennutzung und den damit einhergehenden Ortswechseln der Handelnden nicht mehr. Wir haben es hier nicht mehr mit den klassischen Gentrifizierungsprozessen, sondern mit einer Politik der Tabula rasa zu tun, die jeglichen alternativen Kulturraum in kürzester Zeit abschafft. Es ist schon erstaunlich, dass sich weder die Kulturpolitik der Stadt noch des Lands hierzu positioniert. Stuttgart stürzt in kürzester Zeit in die völlige Provinzialität zurück, vertreibt die jungen, kreativen und hier vor Ort teuer ausgebildeten Menschen aus der Stadt und wundert sich im Nachhinein, warum hier keiner mehr aus dem ICE steigt, um auf eine kulturelle Entdeckungsreise zu gehen. Kulturelle Vielfalt zeigt sich eben nicht in zum Museum aufgepumpten Autohäusern, in denen Eigenwerbung mit kultureller Nachhaltigkeit verwechselt wird. Letztere entsteht in den Freiräumen, die eine Landeshauptstadt im nationalen und internationalen Wettbewerb zwingend zur Verfügung stellen muss. Die Entscheidung welche Kultur, für welche Räume, mit welchen Akteuren sollte in keinem Fall einem Verkehrs- und Logistikkonzern überlassen werden. Dies wäre nur ein weiterer Beweis für die fehlende Handlungskompetenz der Politik.
Matski, Limbabwe Records
I’ve been there few times with artists (Sensational, Karyn Kuhl). Great people and amazing atmosphere. I always loved it.
A year ago DB informed the artist they needed the site back late last September. This date is moved forward regularly. The uncertainty created frustrations. Events, concerts can not be arranged long in advance. That makes organizing almost impossible. Finally DB came with a more definite date. They can stay until July 2011. Suddenly, last week the artist community got ordered to clear the site within 2 weeks. Chaos all over. Some artists aren’t even there. It would be impossible anyway moving 40 homes/ateliers in such short notice.
Governments exist only to be amusement theater nowadays. Democracy never existed. It’s the companies (money) that takes/makes decisions.
The artists at the wagons are fucked and need support. Visit their site: http://waggons.wordpress.com . Its on German. If you don’t understand German, figure out an email address (kontakt) and write them to support or ask English explanation. Think about the future of mankind. Keep innovation going and support alternative communities.